Produktpiraterie
Der Fluch der Fälschungen
Inzwischen widmet sich dem Kopieren von Produkten
und Marken eine ganze Branche. Allein in Deutschland liegt der daraus
resultierende volkswirtschaftliche Schaden jährlich bei etwa 30
Milliarden Euro. Mehr als 70 Prozent der weltweit gefälschten
Waren kommen aus dem asiatischen Raum, vor allem aus China.
Der Kinofilm „Fluch der Karibik“ veranschaulicht auf
amüsante Art das Bild des Piraten als säbelrasselnden,
verwahrlosten Mann, unterwegs auf den Weltmeeren, um Handelsschiffe zu
entern und Beute zu machen. Schon Klaus Störtebeker war sich
dieses profitablen Geschäftes bewusst – wenn auch sein Ende
alles andere als rühmlich war. Das Bild des Piraten hat sich im
Laufe der
Zeit gewandelt, und so tritt er heute als seriös wirkender
Anzugträger auf, der unter Missachtung gewerblicher Schutzrechte
mit gefälschten Produkten auf dem Weltmarkt Handel treibt.
Als „Produkt- und Markenpiraterie“ wird im Allgemeinen das
Geschäft bezeichnet, Ware möglichst originalgetreu
nachzubilden, zu vervielfältigen oder auch unrechtmäßig
eine Marke zu verwenden – womit in jedem Fall Rechte am geistigen
Eigentum anderer verletzt werden. Trend ist, sowohl alltägliche
Gebrauchsgegenstände als auch Luxusartikel zu fälschen,
sodass inzwischen auch kleine und mittelständische Firmen
zunehmend von der Produkt- und Markenpiraterie betroffen sind. Kopiert
werden nicht nur Konsumgüter wie Kleidung, Sonnenbrillen und
Handtaschen, sondern auch Software, Medikamente, Autoteile und
Maschinen. Die Fälschungen sind zum Teil so gut, dass nur noch ein
geschultes Auge sie vom Original unterscheiden kann.
Für Fälscher ist diese Branche ein lukratives Geschäft
und stellt ein ernsthaftes Problem für Unternehmen, Verbraucher
und Volkswirtschaft dar. Inzwischen macht gefälschte Ware etwa
zehn Prozent des Welthandels aus, und es wird von einer Schädigung
der Weltwirtschaft in Höhe von über 300 Milliarden Euro
ausgegangen. An den Außengrenzen der Europäischen Union
treten jährlich knapp 100 Millionen Fälle von Produkt- und
Markenpiraterie auf. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag
schätzt den volkswirtschaftlichen Schaden in Deutschland auf
jährlich bis zu 30 Milliarden Euro. Die vom
Bundesfinanzministerium herausgegebene Statistik der
Grenzbeschlagnahmen des Zolls für 2009 belegt, dass die im
vergangenen Jahr allein im Hamburger Hafen aufgegriffene Ware einen
Wert von über 363 Millionen Euro hatte.
Dabei machen den betroffenen Unternehmen nicht nur Umsatzeinbußen
zu schaffen, sondern auch gravierende Imageschäden, die aufgrund
der oftmals schlechten Fälschungsqualität entstehen
können, wenn es nicht gar zu Produkthaftungsprozessen kommt. Das
sieht Sebastian Huber, Referent der Geschäftsleitung der Montblanc
International GmbH, nicht anders: „Fälschungen schaden
sowohl der Marke als auch dem Marktwert des Produktes, und die
Wahrnehmung der Kunden verändert sich zum Nachteil der
Marke.“ Auch Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher
können durch Fälschungen gefährdet werden, wenn zum
Beispiel Spielzeug, Kfz-Ersatzteile, Handys oder Medikamente mangelhaft
sind. Nach Schätzungen des Bundesjustizministeriums sollen zudem
jährlich rund 70 000 Arbeitsplätze durch Produkt- und
Markenpiraterie gefährdet sein.
Mehr als 70 Prozent der weltweit gefälschten Waren kommen aus dem
asiatischen Raum, und gerade China nimmt hierbei eine besondere
Stellung ein. Neben hohen Wachstumsraten seiner Volkswirtschaft lockt
das Reich der Mitte ausländische Unternehmer mit günstigen
Produktionskosten und der Aussicht auf Erschließung neuer
Absatzmärkte, was in den vergangenen 15 Jahren vermehrt dazu
geführt hat, dass deutsche Betriebe den Schritt nach Fernost
gewagt haben. Mit seinem Aufstieg zur „Werkbank der Welt“
hat China sich auch weltweit zur Nummer eins in der Produkt- und
Markenpiraterie entwickelt – und ist Produktionsstätte von
mehr als der Hälfte aller gefälschten Produkte.
Was kann ein deutsches Unternehmen tun, um sich zu schützen?
„Der größte Fehler wird gemacht, wenn man, ohne den
Markt gut zu kennen, Investitionen tätigt und hofft, der
chinesische Markt allein wird für den notwendigen Umsatz und
Gewinn sorgen“, sagt Dr. Thomas Pattloch, Intellectual Property
Officer der China-Delegation der Europäischen Union in Peking.
„Eine gute Vorbereitung ist alles.“ Neben den allgemein
bekannten deutschen und europäischen Schutzrechtsanmeldungen
sollten Firmen ihre Produkte und Marken durch eine solche Anmeldung
auch im außereuropäischen Ausland und gerade in China
schützen lassen. Oft jedoch scheuen sie die hohen Kosten und
umständlichen Anmeldeverfahren.
Dieses Versäumnis kann schwerwiegende Folgen für den
Unternehmer haben, selbst wenn er auf dem chinesischen Markt gar nicht
aktiv ist: Kommt ihm ein chinesischer Konzern zuvor und meldet ein
Schutzrecht für sein deutsches Produkt in der Volksrepublik an,
könnte es dort zu sehr viel günstigeren Konditionen
hergestellt und auf dem Weltmarkt vertrieben werden – zu
niedrigen Preisen. Nicht nur, dass der deutsche Unternehmer dieses
Preisniveau nicht wird mithalten können, sondern er wird durch die
Schutzrechtsanmeldung des chinesischen Herstellers auch noch daran
gehindert, sein ursprünglich deutsches Produkt nach China zu
exportieren, und muss bei einem Versuch dessen sogar eine rechtliche
Verfolgung befürchten. Der finanzielle und zeitliche Aufwand
für die Vorbereitung des Markteintritts in China lohnt sich
angesichts der ansonsten drohenden Umsatzeinbußen und
Imageschäden.
Neben Schutzrechtsanmeldungen gibt es weitere wirksame Maßnahmen,
um Produkt- und Markenpiraterie zumindest zu erschweren. Zum Beispiel
sollte der Vertragspartner, gerade bei Lizenz- und
Vertraulichkeitsangelegenheiten, sorgfältig ausgesucht werden.
Zudem sollte bei einem Joint Venture genau geprüft werden, was in
dieser Kooperation preisgegeben wird. Mitarbeiter können
vertraglich zur Wahrung der Betriebsgeheimnisse verpflichtet sowie auch
gezielt auf die Problematik der Produkt- und Markenpiraterie hin
geschult werden.
Ein Schutz von Innovationen durch Rechte des geistigen Eigentums ist
aber nur dann wirksam, wenn gegen Verletzungen dieser Rechte effizient
vorgegangen werden kann. Obwohl diese in China gesetzlich gut verankert
sind, schrecken viele ausländische Firmen vor einer
Rechtsverfolgung zurück. Nicht nur, weil damit ein ebenso hoher
finanzieller wie zeitlicher Aufwand verbunden ist, sondern auch, weil
die Richter in der chinesischen Provinz noch nicht ausreichend auf den
Schutz geistiger Eigentumsrechte fokussiert sind. Gerichtsstandort
sollte daher immer eine größere Stadt wie Peking oder
Shanghai sein, da dort erfahrene Richter vorzufinden sind. Eine
wirksame Alternative können Schiedsgerichtsklauseln in den
Verträgen sein, wodurch unter anderem Nationalität der
Schiedsrichter, Verfahrenssprache und Verfahrensort vereinbart werden
können.
Der Druck auf Chinas Regierung, den Schutz geistiger Eigentumsrechte
noch besser zu gewährleisten, wächst. Sie ist sich der
Problematik bewusst und hat 2001 mit dem Beitritt zur
Welthandelsorganisation (WTO) einen Schritt in die richtige Richtung
getan. Die Gesetze der Volksrepublik entsprechen überwiegend den
WTO-Anforderungen, und die Regierung ist sehr darum bemüht, durch
die Entwicklung nationaler Schutzstrategien die Einhaltung und
Umsetzung der Vorgaben zu gewährleisten. Trotz des kostspieligen
und zeitintensiven Aufwandes sowie der nach wie vor schwierigen
gerichtlichen Durchsetzbarkeit ist eine ausreichende Sicherung des
geistigen Eigentums für den unternehmerischen Erfolg in der
Volksrepublik unabdingbar. Ein gewisses Risiko bleibt beim Umgang mit
chinesischen Geschäftspartnern indes bestehen, aber das, so Thomas
Pattloch, sei das Spiel des Handels und betreffe auch
Geschäftsbeziehungen mit anderen Handelspartnern. Wie es der
ehemalige Präsident des Deutschen Patentamtes Erich Otto
Häußer einmal sagte: „Wer nicht erfindet,
verschwindet, wer nicht patentiert, verliert.“
Informationen
Der Schutz geistigen Eigentums in China sowie der Widerspruch zwischen
Theorie und Praxis waren Themen eines Workshops in der Handelskammer.
Er fand im Rahmen des Projektes „Understanding China“ der
Europäischen Kommission und Eurochambres, dem Dachverband der
europäischen Industrie- und Handelskammern, statt. Im Fokus dieses
Projektes stehen kleine und mittelständische Firmen, die im
Gegensatz zu Großkonzernen nicht immer über die
erforderlichen Personal- und Finanzressourcen sowie das nötige
Know-how verfügen, um Themen wie den Schutz geistiger
Eigentumsrechte zu verfolgen. Die im Workshop gewonnenen Erfahrungen
wurden zu einem Background- und einem Event-Report zusammengefasst und
als Handlungsanregung an die Europäische Kommission
weitergeleitet. Beide Reports sind bei der Handelskammer bei Friederike
von Sivers, Telefon 36138-434, E-Mail
friederikevon.sivers@hk24.de,
erhältlich.Unterstützung beim Markteintritt in China sowie
Hilfestellung bei den erforderlichen Vorkehrungen für einen
ausreichenden Schutz ihrer Rechte in der Volksrepublik finden
Unternehmen bei den Auslandshandelskammern (
www.china.ahk.de) und beim IPR Helpdesk (
www.china-iprhelpdesk.eu)
der Europäischen Union. Beim Aktionskreis gegen Produkt- und
Markenpiraterie e. V. (APM) ist zudem eine Verbraucherbroschüre
mit Hintergrundinformationen erhältlich: APM, Breite Straße
29, 10178 Berlin, Telefon 030/2030827-20, E-Mail
apm@dihk.de
hamburger wirtschaft, Ausgabe Oktober
2010