Interview: Dr. Thomas Pattloch
Bedeutung des geistigen Eigentums
Thomas Pattloch ist Intellectual Property (IP)
Officer der Europäischen Union in Peking mit der Aufgabe, den
Dialog mit der chinesischen Regierung in allen Belangen des geistigen
Eigentums zu fördern. Die hamburger wirtschaft sprach mit ihm
über die Bedeutung des Schutzes geistiger Eigentumsrechte beim
Markteintritt deutscher Firmen in China.
hamburger wirtschaft: Warum hat die Europäische Kommission einen IP Officer nach China entsandt?
Thomas Pattloch: Mit Beginn der 1990er-Jahre nahm der Handel mit
China kontinuierlich zu, dadurch rückte unter anderem auch der
Schutz der geistigen Eigentumsrechte in den Fokus der Verhandlungen
zwischen China und Europa. Der Beitritt Chinas zur
Welthandelsorganisation im Jahr 2001 war ein großer
Annäherungsschritt des Landes an den Westen. Seit 2004 findet
zwischen China und der EU ein sogenannter IP-Dialog statt, der durch
diverse Arbeitsgruppen praktische Unterstützung erfährt. Der
Schutz geistigen Eigentums wird zudem auch auf höchster Ebene in
sogenannten ‚High economic trade Dialogues’ von einem der
Europäischen Kommissare und dem chinesischen Vizepremierminister
Wang Qishan thematisiert. Das machte einen Ansprechpartner vor Ort
erforderlich.
hw: Was müssen deutsche Firmen bei einem Markteintritt in China bedenken?
Pattloch: Hier gilt ganz klar der Grundsatz ‚Know before you go’. Das wichtigste sind
klare und realistische Vorstellungen über die eigenen Ziele. Der
Schritt nach China bedarf gründlicher Überlegungen und
Recherchen wie etwa über potenzielle Wettbewerber und Kunden. Auch
sollten die Gegebenheiten in China in Augenschein genommen werden, um
sich einen realistischen Eindruck über die Lage vor Ort zu
verschaffen. Wichtig und hilfreich ist auch die Kommunikation mit
anderen deutschen Firmen in China, die mit ihren Erfahrungen manchen
Schritt erleichtern können. Der klassische Fehler aber ist die
Vernachlässigung einer Schutzrechtsanmeldung. Gerade
exportorientierte Unternehmen sollten in den
außereuropäischen Zielmärkten ihre Rechte registrieren
lassen, anderenfalls könnte zum Beispiel ein chinesischer
Wettbewerber eine ursprünglich in Deutschland genutzte Marke
erfolgreich in der Volksrepublik eintragen lassen und so verhindern,
dass das deutsche Unternehmen die Marke in China nutzen kann. Der
finanzielle Aufwand für eine Eintragung ist überschaubar, und
das Argument, die Rechtsdurchsetzung sei schwierig, gilt nicht: Ohne
eine Eintragung gibt es keinen Schutz des geistigen Eigentums.
hw: Wer steht den Unternehmen in China beratend zur Seite?
Pattloch: Der IPR Helpdesk der Europäischen Kommission und
die Auslandshandelskammern sind in den für die deutsche Wirtschaft
wichtigsten chinesischen Städten vertreten und bieten umfangreiche
Hilfestellungen und Informationen an. Das Europäische Patentamt
hilft in seiner Zweigstelle in Wien bei Patentrecherchen in China und
anderen asiatischen Ländern. Und auch die deutsche Botschaft ist
eine geeignete Anlaufstelle.
hw: Wie ist das Bemühen der chinesischen Regierung zu
bewerten, den Schutz der geistigen Eigentumsrechte in China zu
gewährleisten?
Pattloch: Das in China vorhandene Recht ist mit den Richtlinien
der Welthandelsorganisation weitgehend konform, und die chinesische
Zentralregierung ist sehr darum bemüht, diese Vorgaben
einzuhalten. Man darf hierbei nicht übersehen, dass die
Volksrepublik durch den Beitritt zur Welthandelsorganisation eine hohe
Messlatte auferlegt bekommen hat. Die chinesische Zentralregierung
investiert noch immer viel Arbeit, um die Umsetzung der Vorschriften zu
gewährleisten. Das Problem aber ist die Implementierung der
Richtlinien auf regionaler und lokaler Ebene. Die einzelnen Provinzen
haben oft eine ganz andere Sicht auf die Notwendigkeit des Schutzes von
Innovationen. Das vermehrte Auftreten von Rechtsverletzungen wird von
der Zentralregierung zwar gesehen, aber zum Teil noch mit Verweis auf
die Größe des Landes und auf die schwierige Umstellung der
Unternehmenskultur von Nachahmungen hin zu eigenen Innovationen
entschuldigt. Als richtungsweisend kann die Verkündung eines
Arbeitsprogramms zur nationalen IP-Strategie seitens der Regierung im
Juni 2008 gesehen werden, durch das bis 2020 bei der Schaffung und dem
Schutz des geistigen Eigentums zum westlichen Niveau aufgeschlossen
werden soll.
hw: Was unternimmt die Europäische Kommission gegen Produkt- und Markenpiraterie?
Pattloch: Sie tut sehr viel. So hat sie mit den chinesischen
Zollbehörden 2009 einen ‚EU-China Customs IP Action
Plan’ beschlossen, der die Zusammenarbeit und den Austausch von
relevanten Daten zwischen den Zollbehörden fördern soll.
Außerdem hat die Europäische Kommission das
‚IPR2’-Programm ins Leben gerufen, das durch das
Europäische Patentamt implementiert wird. Durch dieses Programm
werden mit den Schlüsselministerien Trainings und andere
Aktivitäten organisiert, um in China langfristig Kapazitäten
und Expertise aufzubauen. Das Europäische Patentamt wiederum
kooperiert eng mit dem chinesischen Amt für Geistiges Eigentum, um
mittelfristig den Zugang zu chinesischen Patentanmeldungen für
europäische Unternehmen in vollem Umfang sicherzustellen.
Zur Person
Thomas Pattlochs Interesse für China begann mit einem
Schulaufenthalt in Hongkong. Nach einem Jurastudium in München
intensivierte er sein asiatisches Engagement mit einem einjährigen
Studienaufenthalt in Taiwan, der richtungsweisend für seinen
weiteren beruflichen Werdegang sein sollte. Nach seiner Promotion im
chinesischen Recht am Max-Planck-Institut München arbeitete er
für die Hamburger Kanzlei Schulz Noack Bärwinkel in Shanghai,
ging dann zur Europäischen Kommission und ist seit 2006 als
Intellectual Property Officer der Europäischen Union in Peking
tätig. Der heute 39-Jährige, der in München aufwuchs,
ist verheiratet und hat drei Kinder.
hamburger wirtschaft, Ausgabe Oktober
2010