Serie: Unsere Handelskammer
Pannenhelfer vor Ort
Beim Thema Stadtentwicklung decken sich die
Interessen von Politik und Wirtschaft nicht immer. Stoßen
Unternehmer bei Behörden an ihre Grenzen, vermittelt die
Handelskammer – oft erfolgreich.
Ende März schien alles unter Dach und Fach. Zwei
Existenzgründer und die Stadt Hamburg waren sich einig, alles
schien geklärt: Eine Tankstelle, die aus den 1950er-Jahren stammt
und heute alt und zerfallen in Rothenburgsort steht, sollte
„wiederbelebt“ werden. Jann de Boer und Alex Piatscheck
hatten das denkmalgeschützte Gebäude 2008 entdeckt. Jetzt
sollte eine auf Oldtimer spezialisierte Kfz-Prüfstation entstehen,
dazu ein Tankstellenbetrieb wie in den 1950er-Jahren – stilecht,
mit alten Zapfsäulen, Tankwartservice und Erfrischungsraum. Doch
dann fingen die Probleme an. Jann de Boer runzelt die Stirn. „Ich
glaube nicht, dass das ohne die Unterstützung der Handelskammer
noch geklappt hätte“, sagt der 37-Jährige.
Das Gespräch bei der Sprinkenhof AG, der Immobilienverwaltung der
Stadt Hamburg, war konstruktiv verlaufen. Der Sanierungsbedarf an der
alten Tankstelle war erheblich, im Frühjahr sollten die
Restaurationsarbeiten beginnen. Fehlte nur noch der Mietvertrag –
doch der ließ auf sich warten.
Kurz bevor die Baustelle eröffnet werden sollte, traf das
Mietangebot endlich ein. Doch es wich in mehreren Punkten von dem ab,
was Piatscheck und de Boer erwartet hatten. „Was uns da angeboten
wurde, war nicht rentabel“, sagt de Boer. Man verhandelte nach
– und wurde sich nicht einig. Man verhandelte erneut –
wieder ohne Erfolg. Die Zeit verstrich, es wurde Juli. An die
Handelskammer, die hätte helfen können, dachten die beiden
Existenzgründer nicht.
Dann half ihnen das Glück. „Durch puren Zufall hatte die
Handelskammer erfahren, dass die zwei Existenzgründer in
Schwierigkeiten steckten“, sagt Claus Tiedemann vom
Geschäftsbereich Infrastruktur. „Sie waren kurz davor,
aufzugeben und abzuspringen.“ Tiedemann nahm sich der Sache an:
„Die Vermittlertätigkeit in solchen und ähnlichen
Fällen zählt zu unseren ureigensten Aufgaben.“
Auch die Finanzbehörde – Eigentümerin des
Tankstellengrundstücks am Billhorner Röhrendamm 4 –
hatte sich inzwischen als Mittlerin eingeschaltet. Sie lud die Parteien
zu Gesprächen, auch Claus Tiedemann nahm daran teil. Zunächst
ging es um die Sanierungskosten und darum, welchen Anteil die
Sprinkenhof AG übernehmen würde. Der zweite Knackpunkt: Wie
lange würde den Investoren Mietfreiheit gewährt? Zwei Monate
bot die Sprinkenhof AG. „Das war natürlich völlig
inakzeptabel“, sagt Tiedemann. Schließlich könnten die
Mieter weder Umsatz noch Gewinn machen, solange das Gebäude noch
nicht instandgesetzt ist. Das sah auch die Finanzbehörde so und
wirkte ihrerseits auf die Sprinkenhof AG ein. Nach einigem Hin und Her
einigte man sich auf neun Monate. Doch kaum war ein Streitpunkt vom
Tisch, tauchten neue Schwierigkeiten auf: Der Beginn des
Mietverhältnisses sollte verschoben werden. Für Piatscheck
und de Boer ein echtes Problem. „Die beiden konnten ihre Leute
nicht länger hinhalten“, erklärt Tiedemann mit Blick
auf Bank und Handwerksbetriebe, die auf klare Ansagen warteten.
Die Handelskammer erhöhte den Druck noch einmal. Reinhard Wolf,
Leiter des Geschäftsbereiches Infrastruktur, wandte sich nun
direkt an den Vorstand der Sprinkenhof AG. Und endlich der Durchbruch:
In letzter Sekunde einigten sich die Parteien. Am 30. Juli
unterzeichneten Jann de Boer und Alex Piatscheck endlich den
Mietvertrag – und machten sich sofort an die Arbeit. „Das
ist schon verrückt, was wir da für einen Aufwand betrieben
haben“, sagt Piatscheck rückblickend. „Anderthalb
Jahre sind wir dem Grundstück hinterhergerannt, so lange
hätte wahrscheinlich kein anderer gewartet.“
Claus Tiedemann ist dennoch zufrieden: „Wir haben das deshalb so
unterstützt, weil hier etwas Besonderes geschaffen wird.“
Die historische Tankstelle werden Piatscheck und de Boer nun endlich
originalgetreu und denkmalschutzgerecht restaurieren. Neben dem
Tankstellenbetrieb mit kostenlosem Tankwartservice soll es auch ein
Restaurant geben, ebenfalls im Look der 1950er, mit Nierentischen und
traditionellen Gerichten wie Linsensuppe und Königsberger Klopse.
Der dritte Bereich wird die Kfz-Prüfstation sein, speziell
für Oldtimer, aber auch für „normale“ Autos. Dort
sollen unter anderem Hauptuntersuchungen – umgangssprachlich
Tüv genannt – und H-Kennzeichen-Abnahmen angeboten werden.
„Wir wollen ein Treffpunkt für die norddeutsche
Oldtimerszene werden“, sagt de Boer. Wenn ab jetzt alles
planmäßig verläuft, ist Hamburg im Sommer 2011 um eine
Touristenattraktion reicher.
Informationen
Teil drei unserer Handelskammer-Serie gibt einen Einblick in die
tägliche Arbeit des Geschäftsbereiches Infrastruktur. Das
16-köpfige Team wird aktiv, sobald sich Unternehmen mit
Flächenproblemen an die Handelskammer wenden – sei es, weil
sie ein geeignetes Grundstück suchen, weil eine
Vergrößerung ansteht oder städtebauliche
Maßnahmen zum Umzug zwingen. Neben dem Thema Stadtentwicklung
zählt die Betreuung der Branchen Verkehr und Tourismus zu den
Kernaufgaben des Bereiches: Bei Fragen zu Genehmigungsverfahren
informiert das Team über Zuständigkeiten, Abläufe und
Ansprechpartner. Regelmäßige „Branchentage“
bieten Unternehmern außerdem Gelegenheit, sich mit Fachreferenten
und untereinander über Branchenthemen auszutauschen. Speziell
für das Verkehrsgewerbe organisiert der Bereich diverse
Prüfungen, die Berufsfahrern spezielle Zusatzqualifikationen
bescheinigen – beispielsweise für den Transport von
Gefahrgütern – und bemühen sich dabei um eine flexible
und wirtschaftsnahe Planung. Außerdem begleitet der Bereich eng
die Entwicklung im Hafen und setzt sich für einen bedarfsgerechten
Ausbau ein. Ebenfalls in das Verantwortungsgebiet des
Geschäftsbereiches Infrastruktur fällt das Thema
Sportförderung. Der Bereich informiert nicht nur über Wirkung
und Möglichkeiten des Sportsponsorings, sondern führt
über seine „Sportlerbörse“ auch Unternehmen und
Leistungssportler zueinander.
hamburger wirtschaft, Ausgabe
Oktober
2010