Interview: Wolf Lotter
„Denk dir selbst was aus!“
Wir brauchen eine neue Kultur der
Arbeit – davon ist Wolf Lotter, Wirtschaftsjournalist beim
Magazin „Brand eins“ und einer der
„diwi“-Referenten, überzeugt. Die
hamburger wirtschaft sprach mit ihm über Könner,
Qualität und Wissen.
hamburger wirtschaft:
Ihr Vortrag auf der diesjährigen ‚diwi‘
trägt den Titel ‚Wenn die Könner
kommen’. Wer sind für Sie die Könner?
Wolf Lotter:
Könner sind in der Lage, selbstständig zu arbeiten
und zu entscheiden – und sie verfügen über
ein individuelles, spürbar an die Person gebundenes Wissen.
Diese Fähigkeiten werden im Wissenszeitalter noch wichtiger
sein als sie es heute schon sind.
hw: Sind
wir denn noch keine Wissensgesellschaft?
Lotter:
Nein, wir tun so als ob, aber tatsächlich produzieren wir viel
zu viel Gleichförmiges, letztlich Nachahmbares. Das ist eine
industrielle Strategie, egal wie man das nennt. Auch Unternehmen
stellen ihre Mitarbeiter oft noch nach standardisierten Methoden ein.
hw: Welche
Rolle werden Könner in Unternehmen spielen?
Lotter: Die
der Unternehmer im Unternehmen. Könner sind Denkunternehmer,
die uns auf Probleme aufmerksam machen und sie lösen.
Könner denken aktiv und eigenständig.
hw: Was
heißt das für Unternehmen und deren Personalpolitik?
Lotter: Das
bisherige Mitarbeitermodell ist überwiegend darauf
ausgerichtet, dass die Leute tun, was man ihnen sagt, und definierte
Probleme lösen. Für Könner muss es lauten:
Denk dir selbst was aus! Dann entsteht personalisiertes Know-how, das
Konkurrenten nicht einfach klauen oder kopieren können.
hw: Was kann
diese Innovationsfreudigkeit der Könner denn bremsen?
Lotter: Manifestes
Wissen, das man verwalten und relativ reibungsfrei weiterreichen kann.
Je größer eine Organisation ist, desto verbreiteter
ist dieses Wissen heute noch. Es wird aber leicht zum Dogma. Wir nennen
ja Leute, die aus der normierten Reihe des Mitmachens schlagen,
‚Querdenker’. Wer weiter denkt, der liegt
‚quer’. Das sagt ja schon alles. Für
Innovationen sind solche Dogmen tödlich.
hw:
Sicherlich haben Könner besondere Ansprüche an ihre
Arbeitgeber …
Lotter: Ja,
gute Gehälter und Amtstitel reichen nicht. Könner
wollen Entscheidungsfreiheit und Eigenverantwortung. Man wird daher
auch keinen Karriereplan für solche Könner erstellen
können. Das machen die schon selbst.
hw: Wie
wird ein Unternehmen zum Könner-Unternehmen?
Lotter:
Indem es sich der Partnerschaft der Könner versichert und ihre
individuellen Talente nutzt. John F. Kennedy hat sein Kabinett nach der
Maxime gestaltet: ‚Jeder, der mitmacht, muss schlauer sein
als ich.‘ Er war mutig genug, um zu wissen: ‚Ich
bin der Chef, aber ich muss weder der Beste noch der Alleinherrscher
sein.‘
hw: Passen
die heute verbreiteten Formen der Beschäftigung noch auf die
Könner?
Lotter:
Nein, wir brauchen eine radikale Neuordnung des Arbeitsrechtes und eine
neue Kultur der Arbeit.
hw:
Hängen Können und Qualität für Sie
zusammen?
Lotter: Ja,
es sind zwei Seiten einer Medaille. Qualität, individuelle
Problemlösungen sind für mich die Grundlage von
Wirtschaft, vor allem in einer Welt, in der alles im Überfluss
vorhanden ist. Die Massenproduktion sollten wir denen
überlassen, die sie heute eh schon machen.
hw: Was
heißt das für Unternehmen?
Lotter: Die
brauchen Leute, die heute noch nicht in die Mitarbeiternorm passen. Und
sie werden das Wort Gerechtigkeit neu definieren müssen. Es
ist nicht gerecht, jemanden, der verwaltet, genauso zu behandeln wie
jemanden, der kreativ und lösungsorientiert arbeitet. Noch
denken wir nach dem Motto: Was kann denn jemand dafür, wenn
ihm nichts einfällt? Nichts! Es ist aber völliger
Unfug, die Leute auch noch dafür zu belohnen, dass sie nur
nachvollziehen, was man ihnen vorgibt.
hw: Man
sagt, Qualität habe ihren Preis: Wofür geben Sie gern
viel Geld aus?
Lotter: Wenn
ich viel Geld hätte, würde ich es für meine
Arbeit und die der Kollegen, deren Arbeit ich schätze,
ausgeben. Mein Luxus besteht darin, etwas zu tun, das ich sehr gern
mache.
Zur Person
Wolf Lotter, 1962 in Österreich geboren,lebt und arbeitet in
Hamburg und Berlin. Er ist als Wirtschaftsjournalist tätig und
gehörte 1999 zu den Mitbegründern des Magazins „Brand
eins“, für das er seit 2000 die Leitartikel zu den
Schwerpunktthemen verantwortet. Lotter ist Autor mehrerer Bücher
und seit Jahren zudem gefragter Keynoter bei Unternehmen, Institutionen
und politischen Parteien im deutschsprachigen Raum.
Informationen
Am 17. November findet in der Handelskammer von 9 bis 19 Uhr der
Kongress der Hamburger Dienstleistungswirtschaft „diwi“
statt, das Forum für Marketing, Beratung und Personal. Neben dem
Referat von Wolf Lotter stehen weitere zehn Vorträge sowie zwei
Workshops auf dem Programm.
Mehr Informationen und Anmeldung unter www.diwi-forum.de
hamburger wirtschaft, Ausgabe Oktober
2010